Tiny Living: Interview mit Vicky von zirkuswagen-nostalgie.de

Den Gedanken, Interviews mit Tiny House Besitzern und Erbauern zu führen, hatten wir schon lange im Kopf.

Wir wollten direkt von der Quelle erfahren, wie es sich in einem kleinen Haus lebt, was die Beweggründe waren, so zu wohnen und warum man auf die Idee kommt, Tiny Houses oder wie im aktuellen Interview tolle Zirkuswagen zu bauen.

Wir haben es endlich realisiert und Vicky von zirkuswagen-nostalgie.de ein paar Fragen gestellt, die sie uns sehr ausführlich mit vielen Hintergrundinfos beantwortet hat.

Vielen Dank dafür.

Vicky baut stilvolle Zirkusartistenwagen nach historischem Vorbild. Von Meisterhand mit jeder Menge liebevollen Details und ganz individuell nach Kundenwunsch. Vicky wohnt auch selbst in einem von ihr gebauten Zirkuswagen.

Mehr darüber erfahrt ihr im folgenden Interview.

Bock auf Interview?
Ihr baut auch Tiny Houses und/oder wohnt selbst in einem? Dann meldet euch gerne bei uns, wir würden auch euch gerne ein paar Fragen stellen.

Interview mit Vicky von zirkuswagen-nostalgie.de

1. Bitte stelle dich kurz vor.

Ich heiße Vicky, bin inzwischen 38 Jahre alt und komme aus Hamburg, bzw. aus der Nordheide ca. 30km südlich der großartigen Stadt an der Elbe. Bis dato habe ich nur im Norden gelebt und außer einigen längeren Auslandsaufenthalten mein Leben ausschließlich dort verbracht.
Seit über 15 Jahren bin ich selbstständig im Medienbereich (Web, Print, TV, …) tätig und stets offen für neue, spannende Erfahrungen und Projekte. Zu mir gehören Hund Fritzi und das Islandpferd Wotan. Mein bisheriges Leben fand an ein und demselben Ort statt, mit festen Strukturen und einem bereits vorausgeplanten Dasein.
Aber ich habe festgestellt, das ist nicht das was ich will und vielleicht hat das Leben noch etwas mehr mit mir vor….
Ich trennte mich 2013 von meinem Mann und zog in ein 100 Jahre altes Holzhäuschen mit knapp 30qm und fing noch einmal ganz von vorne an. Parallel musste ich beruflich öfter nach Bayern und dabei habe ich mich in und im Süden Deutschlands verliebt …

Der Wunsch nach in die seltsame Stadt im Süden – nach München zu gehen, wurde immer stärker und drängender in mir.
Doch gerade in München (wie auch in Hamburg) ist die Wohnungsmarkt-Situation zunehmend absurder: Überhöhte Mieten (beispielsweise 750 € Kaltmiete für 30 qm Wohnraum), über 100 Bewerber auf eine Wohnung und dazu dreiste Makler die gar nicht erst mit einem sprechen, usw.)

Diese Umstände haben mich bewogen, nach Alternativen Ausschau zu halten und nach einiger Suche habe ich tatsächlich eine solche gefunden: Das Leben in einem nostalgischen und dennoch komfortablen Zirkuswagen.

2. Du baust ja Zirkuswagen um. Kannst du uns ein paar nähere Infos zu deiner Firma geben? Wie bist du dazu gekommen? Wie fing es an?

Tja, es sollte schon etwas Besonderes sein, für das ich mein romantisches Holzhäuschen im Norden aufgebe – aber als ich die Bilder des Zirkuswagens im Internet sah wusste ich sofort – das ist genau das was ich gesucht habe und ich hatte mich sofort verliebt.

Ich sah mich bereits abends bei einem Glas Wein auf der kleinen Terrasse sitzen und genau diese Vorstellung ließ mich nicht mehr los.
Direkt nahm ich Kontakt auf und traf auf einen Münchner Aussteiger, dessen Vision es war, hochwertige, moderne Zirkuswagen nach historischem Vorbild zu fertigen. Mit seiner jahrelangen Erfahrung im Schiffsbau in aller Welt, als studierter Physiker und Lebenskünstler passten wir perfekt zusammen – er zuständig für Design, Produktion und Konstruktion, ich als Fachfrau für Marketing und Vertrieb.
Schnell war klar, wir werden dieses Projekt zusammen angehen!
Und wir sind uns sicher: mit dieser Idee sind wir nicht allein: viele Menschen suchen Wohn-Alternativen zum Leben einer überteuerten Mietwohnung oder möchten ein solches Schmuckstück für sich nutzen.
So bauten wir den ersten Zirkuswagen seiner Art, quasi den Prototyp, unser Ausstellungsstück und mein neues Zuhause, welcher pünktlich zum Weihnachtsfest 2015 an den Pilsensee zu mir geliefert wurde.
Jetzt fertigen wir diese Zirkuswagen nach historischem Vorbild – neu gebaut und individuell nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden ausgestattet und angepasst.
So kombinieren wir nostalgischen Flair mit modernem Komfort (z.B.: Isolation, Strom, etc.).

3. Du wohnst auch selbst in einem umgebauten Wagen. Welche bürokratischen Hürden musstest du nehmen? Auf welcher Art Stellplatz steht dein Wagen?

Einen Stellplatz fand ich kostengünstig 25km süd-westlich von München auf einem Campingplatz direkt am wunderschönen Pilsensee.
Das war aber gar nicht so einfach, wenige Campingplätze bieten Ganzjahres-Stellplätze und gefühlt werden es immer weniger.
Ich habe jetzt erstmal für 6 Monate einen Platz, also muss ich ggf. noch einmal Umziehen… Vielleicht finde ich ja aber auch noch privat einen Stellplatz – am liebsten natürlich in München City, damit viele Leute den Wagen sehen und ihn als Alternative wahrnehmen. Oder mein Stellplatz wird verlängert und ich kann am Pilsensee bleiben.
Ich bin zum Glück flexibel, mein Haus kann ich überall mit hinnehmen. Bis dahin kann ich meinen Traum leben: autark, authentisch und selbstbestimmt.

Dieses Gefühl, diese Freiheit und vor allem dieses Glück möchte ich auch für andere wahr werden lassen.

4. Wie bist du auf die Tiny House / small living Bewegung aufmerksam geworden?

Ich beschäftige mich schon länger mit dem Thema – insbesondere weil die Wohnsituation in München abstruse Ausmaße annimmt, und ich diese tagtäglich durch Bekannte und Freunde live miterlebe.
Alternativen, Optionen und neue Möglichkeiten sind absolut gefragt – somit liegt Ihr „voll im Trend“ ;)
Gefunden habe ich Euch über das Internet, auch bei Facebook gibt es inzwischen diverse Gruppen zu dem Thema und auf Messen werden inzwischen auch Wohn-Alternativen angeboten, vom Schlaf-Fass bis zum Zirkuswagen…

5. Wie und wo hast du vor dem Einzug in deinen Zirkuswagen gewohnt?

Ich habe jahrelang „normal“ gelebt, ja sogar über zwei Jahre ein altes Bauernhaus mit 160qm und 3.000qm Garten entkernt und neu aufgebaut.
Dann bin ich durch die Trennung von meinem Mann in ein kleines Holzhaus mit nur 30qm gezogen – und nun in den Zirkuswagen der mit 12qm noch kleiner ist.

Aber die Größe des Lebensraumes ist im Grunde völlig egal, wichtig ist, dass man sich wohl fühlt, glücklich ist und mit sich selbst im Reinen ist – deswegen findet Ihr auf meiner Homepage auch den Spruch: „Heimat ist da, wo du Dich zu Hause fühlst.“

6. Vermisst du etwas, bei dem Leben auf kleinem Raum?

Nein, nicht wirklich.
Das Leben auf kleinem Raum „zwingt“ Dich zu Reduktion und Ordnung: Kleidung, Schuhe, KrimsKrams – inzwischen befreie ich mich von so viel wie möglich.

Aber genau das hat auch Vorteile: Brauche ich wirklich 15 Paar Schuhe? Sich auf das Wesentliche zu reduzieren ist unglaublich befreiend. Es ist erstaunlich mit wie wenig Zeug man gut auskommt. Meine Strategie ist zum Beispiel, Kisten die ich drei Jahre lang nicht geöffnet und gebraucht habe, einfach ungesehen zu entsorgen ;)
Der Trend geht bei mir zum Reduzieren: Weniger ist mehr – nur noch ein paar wirklich schöne und nützliche Dinge – aber bitte keinen Krusch mehr!

7. Wie siehst du die Zukunft der Tiny House Bewegung in Deutschland?

Oh, ich glaube diese sieht in jeglicher Hinsicht positiv aus: Wenn sich der Trend in unseren Großstädten weiter wie aktuell entwickelt, müssen einfach Alternativen her.

Tiny Houses, egal in welcher Form sind natürlich nicht jedermanns Sache, aber ich denke die Menschen die sich darauf einlassen, können damit glücklich werden und vor allem ein Zeichen setzen!
Das finde ich entscheidend und es ist ein passiver Protest um gegen den „Mietwucher“ zu demonstrieren. Inzwischen habe ich viele persönliche Geschichten aus diesem Bereich gehört und gelesen, die mich wirklich schockieren: Bauwagenplätze werden aufgelöst, Altbauten saniert und zu Wucherpreisen neuvermietet und die Campingplätze vergeben keine Dauerstellplätze mehr…

Wo soll das hinführen? Demnächst haben wir Zustände wie in London oder Paris, wo die Mieten jetzt schon doppelt so hoch sind wie in München oder Hamburg.
Was mich daran wütend macht ist die Willkür und Skrupellosigkeit, mit der auf diesem Markt vorgegangen wird.

8. Welche Frage wolltest du schon immer mal beantworten? Und wie lautet die Antwort?

Frage: Ein Zirkuswagen?! – ist nicht dein Ernst – wofür das denn?
Antwort: Oh, da gibt es diverse Möglichkeiten!

Viele Anfragen zeigen mir, dass großes Interesse vorhanden ist und Wünsche und Sehnsüchte bestehen – sei es als stilles Refugium zum Zurückziehen, als besonderes Gästehaus für Freunde, als Therapie- oder Meditationsraum, als ausgefallene Hochzeitssuite für verliebte Hotelgäste, oder tatsächlich als wohlige und außergewöhnliche Wohnraumalternative…

1 Kommentare

  1. Hi,

    ich bin eben eher durch Zufall auf euren Blog gestoßen. Die Tiny House Sache kenne ich nicht, aber bin schwer begeistert. Was für eine tolle Idee! Ich kann zwar noch nicht glauben, dass man wirklich länger auf so engem Raum leben kann, aber du scheinst das Gegenteil zu beweisen!

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